Filmproduktion im Ausland 2 –

Chaos-Drehreise nach Ghana

Unabhängig von der derzeitigen Corona-Pandemie ist jede Film- oder Videoproduktion im Ausland eine echte Herausforderung. Unbekanntes Terrain, fremde Gesetze, andere Sprachen, Sitten und Gebräuche. Nicht immer sind einem die örtlichen Behörden wohl gesonnen und in den seltensten Fällen ist ein Kameraverleih direkt an der nächsten Ecke.  

Was aus Sicht eines Kameramannes alles passieren kann, wenn eine Drehreise ohne die nötige Vorbereitung in ein afrikanisches Land wie Ghana führt, möchte ich in unserem heutigen Filmmakers Diary beschreiben. Und der ein- oder andere wichtige Tipp ist auch dabei.

Die Chaos-Drehreise 1998 nach Ghana
ohne Drehplanung, ohne Drehgenehmigungen…ohne Idee.

Die Vorbereitung

Geklungen hatte das zu Anfang alles sehr spannend: Laut meinen Informationen sollte ein touristischer Imagefilm über Ghana mit professioneller TV-Kameratechnik gedreht werden, mit zwei Kamerateams und viel Lichtequipment (wofür weiß ich bis heute nicht!). Geplant waren elf Tage Drehzeit vor Ort mit zwei Regisseuren, zwei Kameraleuten und zwei Tonleuten. So weit so gut. Mein Regisseur, über den ich an diesen Auftrag gekommen war, wusste auch nicht mehr, hat sich aber, ebenso wie ich auf das Projekt gefreut. Zusammen mit einem befreundeten Tonkollegen sollten wir das zweite Kamerateam bilden. Natürlich haben wir uns nach weiteren inhaltlichen Informationen (was soll wann, wo und wie gedreht werden) bei der Filmproduktion erkundigt, aber keine Infos bekommen. Ich dachte mir, dass diese Informationen zumindest für die Planung der mitzunehmenden Technik wichtig sind. Bekommen haben wir bis zum Abflug…-nichts!

Wir haben also trotzdem die Visa für uns beantragt. Die Reisepässe mussten damals ins ghanaische Konsulat nach Bonn geschickt werden. Die Kosten dafür hat die Produktion übernommen.

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Musik in der Videoproduktion - Mehr als nur ein Klangteppich

Ein Carnet-Abkommen mit Ghana gab und gibt es bis heute nicht; also habe ich als „alternatives Zollpapier“ eine Equipment-Liste mit den Seriennummern auf meinem Geschäftspapier in zweifacher Ausfertigung (Ein-/Ausreise) erstellt. Diese Liste habe ich dann mit einem großen blauen Stempel und meiner Unterschrift versehen, weil, so der Tipp eines Kollegen, das sähe dann offiziell aus. Die Liste wurde dann auch vorab an den ghanaischen Zoll per Fax gesendet.

Für die Ausreise aus Deutschland und die anschließende Rückreise hatte ich ein INF-3 Formular ausgefüllt und ebenfalls die gleiche Liste angehängt.

 

Musik in der Videoproduktion - Mehr als nur ein Klangteppich

Diese identische Liste zusammengeheftet mit einem offiziellen und abgestempelten Zollformular ist ein weiteres Indiz dafür, dass die Ausrüstung wieder aus Ghana ausgeführt wird. Damit war ich zollseitig hoffentlich schon mal gut abgesichert. Blieb uns nur zu hoffen, dass der Zoll in Ghana das schluckt und wir mit Equipment ins Land dürfen, sonst wäre der Dreh schneller vorbei als gedacht

Die richtige Impfung: kleiner Piecks – große Wirkung

Schon damals hatte ich das dringende Bedürfnis mich über die Länder, in die ich beruflich oder auch privat reisen wollte, ausführlich zu informieren. Also habe ich mir einen Reiseführer über Ghana besorgt (zur Mitnahme) und im Internet recherchiert.

Neben der Kriminalitätsrate interessierte mich die Gesundheitsvorsorge und Impfpflichten. Es zeigte sich, dass neben Gelbfieber, Dengue, Tollwut und Cholera usw. in Ghana auch die Ansteckungsgefahr für Malaria relativ hoch war (ist heute noch so). Also habe ich einen Arzttermin bei einem Tropenmediziner ausgemacht, der zufällig auch noch regelmäßig in Afrika ehrenamtlich gearbeitet hat. Das war ein Glücksfall für mich. Neben der notwendigen Gelbfieber-Pflichtimpfung hat er mich sehr umfänglich über die dortigen Krankheiten und empfohlenen Impfungen aufgeklärt.

Damals gab es ein neues Malariamedikament, dem gute Wirksamkeit bei einer Infektion mit der Malaria-Tropica bescheinigt wurde. Leider hat dieses Medikament Lariam (Wirkstoff- Mefloquin) viele und zum Teil sehr unangenehme Nebenwirkungen. Ich habe mich für eine andere Prophylaxe entschieden, dieses Mittel auf Anraten des Arztes aber als Notfallpräparat zusätzlich mitgenommen. Wie wichtig und vor allem richtig diese Entscheidung war sollte ich schneller erfahren als mir lieb war.

Ansonsten war und ist Ghana ein relativ sicheres Reiseland für Ausländer. Die Bekleidung musste für tropisches Klima geeignet sein.

 

Die Drehreise

Trotz der geringen Vorversorgung mit Informationen durch die Produktionsfirma waren Zoll und Einreise in Ghana glücklicherweise unproblematisch. Auch wenn ich mir vor Ort gar nicht sicher war, ob das so funktionieren würde, als der Zöllner in die Unterlagen geschaut hat.

Tipp: Ein Einfuhrstempel des Landes auf einer einfachen Liste belegt, dass ihr das Filmequipment mitgebracht habt! Ansonsten kann es vorkommen, dass ihr für die Equipment-Ausreise „Schmiergeld“ bezahlen müsst.

Kaum aus dem Flughafen raus hat das chaotische Abenteuer erst begonnen. Jeder, der schon mal im Februar aus Europa in ein Land mit tropischem Klima gereist ist, weiß dass dieses Klima dem Körper ganz schön zusetzt. Wir als Team waren also ganz schön geschafft, als wir endlich im Hotel angekommen waren und dort unseren Produzenten/Hauptregisseur und das andere Drehteam kennenlernten. Einen Drehplan haben wir bei diesem Treffen immer noch nicht bekommen. Selten habe ich mich so schlecht informiert und vorbereitet gefühlt.

Am zweiten Tag im Hotel sagte uns die Kamerakollegin vom anderen Team, die als Malariaprophylaxe das Mittel Lariam bekommen hatte, dass sie total müde sei, schlecht geschlafen hätte mit wilden Träumen (recht häufige Nebenwirkung des Malariamittels) und nur noch schwarz-weiß sehen könnte. Keine guten Voraussetzungen also für die anstrengende Arbeit an der Kamera! Umso glücklicher war ich also um die exzellente Beratung meines Impfarztes, denn Dank ihm war ich eben nicht völlig ausgeknockt. Denn wie wir am Ende erfahren haben, hat das andere Team wegen der heftigen Malaria-Propylaxe tatsächlich kaum drehen können.

Tipp: Informiert euch umfassend und fragt auch nach alternativen Medikamenten!

Das Chaos geht weiter

Beim anschließenden Briefing zum Dreh sagte uns der Produzent, dass er einen Guide, einen Van mit Fahrer organisiert hätte und wir, also das Team 2 sollten doch ein paar Tage durchs Land fahren und schöne Bilder machen. What??-ohne Plan?? Nichts gegen einen tollen Ausflug, aber in komplett fremden Terrain ein paar Tage lang mal „schöne“ Bilder zu drehen ist dann schon eine eher sportliche Ansage.

Unser Team hat sich dann die mitgenommenen Reiseführer angeschaut und wir haben selbst einen groben Drehplan und eine mögliche Reiseroute nach Rücksprache mit unserem Guide erstellt. Die Fahrt sollte von Accra über einige touristische Attraktionen bis in den Norden Ghanas nach Tamale führen und insgesamt 5-6 Tage dauern. Danach wollten wir von Accra aus weitere Drehorte ansteuern.

Soweit die Theorie. Unsere Planung hat wegen der schlechten Straßen leider dann doch nicht so funktioniert, wie erhofft. Schon am ersten Tag waren wir gezwungen, die Drehzeiten auf ein absolutes Minimum zu reduzieren, um die geplanten Übernachtungsziele und weiteren Drehorte zu erreichen. Aus der anfänglichen Teerstraße wurde sehr schnell eine Art breiter Feldweg mit tiefen Schlaglöchern, sodass wir nur langsam vorankamen. Ein Allradfahrzeug wäre besser gewesen, als unser Van. Kurz vor Tamale ist dann tatsächlich auch noch unser Teamfahrzeug kaputt gegangen und musste in die Werkstatt. Dort sagte man uns, dass die Reparatur einen Tag dauern würde. Aber klar…am nächsten Tag hieß es dann, dass noch ein Ersatzteil fehle, dieses aber schon bestellt sei. Wir entschieden uns den Fahrer vor Ort zu lassen und haben in Ermangelung eines Ersatzfahrzeuges den Dreh vor Ort mit Hilfe von zwei Taxis fortgeführt. Denn schließlich mussten wir ja schöne Bilder liefern.

Und wie es eigentlich nicht anders zu erwarten war: am folgenden Vormittag war das Ersatzteil immer noch nicht da. Um weiter drehen zu können, entschieden wir uns mit den zwei Taxis zu unserem nächsten Drehort in den etwa vier Autostunden entfernten Nationalpark zu fahren. Unser Fahrer sollte uns dort mit dem reparierten Van abholen.

Sand im Getriebe

Der Dreh wurde immer chaotischer. Denn leider fehlten an meinem Taxi die Fensterscheiben.

Das fiel mir auf den asphaltierten Straßen in Tamale nicht auf, weil wir ohne Klimaanlage mit offenen Fenstern unterwegs waren. Außerhalb der Stadt gab es dann nur noch eine rote Sandpiste. Egal wohin man auch geschaut hat: Sand! Fein, rot, überall. Und der hat sich natürlich überall im Auto verteilt. Und obwohl meine Kamera abgedeckt auf dem Rücksitz lag war auch sie leider Opfer des allgegenwärtigen Sandes. Als ich damit drehen wollte, zeichnete sie nicht mehr auf! Was Schlimmeres kann einem vor Ort eigentlich nicht passieren. Einen Kameraverleih hatte ich nicht natürlich nicht recherchiert und so habe ich die Kamera bei 38° Grad auf einem T-Shirt von mir zerlegt und so gut es ging gereinigt. Immer in der Hoffnung, dass sie wieder läuft. Das hat glücklicherweise dann auch funktioniert.

Tipp: Immer große Plastiktüten für die Ausrüstung und Reinigungs-/Reparaturmaterial mitnehmen. Das hilft sowohl gegen tropischen Starkregen als auch gegen feinsten Staub und bei ungeplanten Reparaturen!

Wir wollten endlich richtig loslegen und der Dreh im Nationalpark verlief am ersten Tag problemlos – bis dann unser Guide am Nachmittag an einer Malaria erkrankte und komplett ausfiel!

Ohne Guide kein Dreh! Mit Hilfe meines Notfallmedikamentes gegen Malaria, Vitaminpillen und unter der Aufsicht von zwei Ärzten, die zufällig ebenfalls in der Lodge im Nationalpark wohnten, war unser Guide zum Glück nach zwei Tagen wieder fit. Unser Team hatte in der Zwischenzeit gezwungenermaßen Drehpause.

Die Mehrkosten für den verlängerten Aufenthalt und die Verpflegung hatten inzwischen die Reisekasse fast aufgebraucht. Trotz dieser Zwangspause war unser Fahrer und das Teamfahrzeug leider immer noch nicht aufgetaucht. Nach einem Telefonat mit der Werkstatt erfuhren wir, dass das Auto, wegen des fehlenden Ersatzteils immer noch nicht repariert werden konnte. Außerdem hatten wir unsere geplante Drehzeit schon um drei Tage überzogen.

Alles in allem hatten wir nicht wirklich viele Bilder schießen können und längst nicht alle Drehorte besucht.

Ganz zu schweigen davon, dass wir ja mitten im Nirgendwo ohne Auto gestrandet waren und ja irgendwie wieder zurück nach Accra in Richtung Flughafen kommen mussten.

Das Management der Lodge riet uns schließlich am nächsten Morgen mit dem öffentlichen Bus nach Tamale zu fahren. Ein weiteres Abenteuer, dass uns fast einen ganzen Tag gekostet hat. Dort angekommen mieteten wir uns mit viel Glück und nach Absprache mit unserem Produzenten ein Privatflugzeug nach Accra. Das war die einzige Möglichkeit noch rechtzeitig am Abend vor dem Rückflug nach Deutschland in Accra anzukommen.

Das Rückreise-Chaos

Zum Abschluss dieser Reise hatten wir noch das Problem, dass wir zwar auf dem Hinweg kein Übergepäck zahlen mussten, diese Vereinbarung mit der Fluggesellschaft aber wohl nicht für den Rückweg galt. So kostete dieser Punkt noch einmal umgerechnet mehrere Hundert Euro.

Zusammenfassend hieß das:

Extreme Mehrkosten für die Produktion durch Übergepäck, Taxikosten, zwei Tage zusätzliche Übernachtungen und Verpflegung im Nationalpark, Privatflugzeug und viel Stress für uns als Team. Darüber hinaus hatten wir durch die nichtvorhandene Drehplanung und den Ausfall der Kollegin im anderen Team am Ende zu wenig Rohmaterial für einen (schönen) Film.

Mein Fazit zu diesem Trip ist: So verreise ich nie wieder! – Das ganze Projekt hat nur funktioniert, weil wir als Team ziemlich stressresistent waren, gut harmoniert haben und damit die Probleme in Ruhe lösen konnten. Im Anschluss an diesen Film habe ich mir eine persönliche Checkliste für zukünftige Auslandsreisen erstellt.

Mehr darüber gibt es in einem weiteren Blog zum Thema Auslandsreisen.

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